Mittwoch, 1. Dezember 2010

Öko & Benehmen

In letzter Zeit fällt es mir immer wieder auf, dass sich Leute, die eine "grüne Fahne" vor sich her tragen, ausgesprochen ignorant und unhöflich benehmen. Seltsam, finde ich, denn ich hatte immer gedacht, dass Menschen mit diesem Bewusstsein besonders freundlich und liebenswürdig sind. Oder ist "öko" inzwischen so in, dass jeder Trampel im Bio-Laden einkauft und den Alt-68er gibt?

1. Fahrradfahren gilt als umweltbewusst. Gut. Wieso aber fahren Fahrradfahrer im Englischen Garten und an der Isar in München über Wiesen und Blumenbeete, über Entennester und in Höchstgeschwindigkeit an Fußgängern und spielenden Hunden vorbei? Ein Spaziergang an der Isar zwischen Tivoli Brücke und Oberföhringer Wehr ist zu mancher Tageszeit lebensgefährlich. Beschwerden bringen nichts, sagt die Polizei, denn die Fahrrad-Lobby sei zu groß, das Ansehen zu positiv und überhaupt wären Fahrradfahrer umweltbewusster als Autofahrer (ich fahre aber nicht über Wiesen und bringe, so Gott will, keinen Menschen und kein Tier absichtlich in Gefahr).

2. In der Nähe meiner Wohnung befindet sich ein toller Bio-Supermarkt mit einem netten kleinen Parkplatz. Wieso benötigen die Kunden und Kundinnen in diesem Markt pro Auto zwei Parkplätze? Kein Mensch stellt sich so unverfroren und unhöflich vor den ReWe oder bei Edeka hin. Und wieso gucken Bio-Käufer immer böse? Und verstellen den Weg im Laden. Ein höfliches "darf ich bitte auch mal an die Kartoffeln?" geht gar nicht - ich bin selten so oft so flapsig und unfreundlich behandelt worden wie in diesem Obst- und Gemüsestand.

3. Ich habe wirklich nette Nachbarn, die fünf Kinder großziehen, ökologisch wertvoll leben und nur Fahrrad fahren. Mit anderen Worten: Die Familie besitzt sechs Fahrräder, zwei Kinderwägen und einen Fahrradanhänger. Gut und schön. Aber wieso müssen alle diese Teile im Hausflur geparkt werden, und auf so großzügig bemessenem Platz, dass sich die Haustür nicht mehr ganz öffnen lässt? Beschwerde - keine Chance. Ich (böser, böser Autofahrer) habe angeblich kein Verständnis für ein umweltbewusstes Leben.

4. Ich liebe Kinder. Ich bin selbst Mutter. Wieso aber konnte aus meiner Tochter ein glücklicher Mensch werden - trotz guter Erziehung? Wieso werden die Blagen von vielen Öko-Eltern noch immer ultimativ alternativ erzogen, nämlich gar nicht? Verträgt sich kultiviertes Benehmen nicht mit Umweltbewusstsein? Ungezogenheit ist m. E. eine Form von Unerzogenheit - also der Fehler der Eltern und nicht der Kinder. Wenn meine Nachbarn bewusste Kinder zum Spielen in den Hausflur vor meine Wohnungstür schicken, weil sie ihre Ruhe haben wollen, ist das nicht die Schuld der Kleinen. Und wenn ich darum bitte, ob ich vielleicht auch ein wenig Ruhe haben dürfte, weil ich so Migräne habe, gelte ich als nicht sozial verträglich.

Nicht, dass ich etwas gegen Umweltbewusstsein hätte. Je älter ich werde, desto dringender verspüre ich den Wunsch, die Welt retten zu müssen - das ist kein Witz! Aber geht das nicht auch kultiviert, verständnisvoll, höflich und freundlich?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen